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Märchenstunde im Bosco Gauting

Allgemeines zur Veranstaltung

(fih) Für den 3. Juli hatte das Grünzug Netzwerk Würmtal e.V. zu einer Informations- und Diskussionsveranstaltung über Windkraft im Würmtal eingeladen. Ganz konkret sollte die Frage der Umsetzung das Thema sein: Wie kriegen wir das hin?

Im Einladungstext war Folgendes zu lesen:

Die Gemeinden befinden sich in unterschiedlichen Planungsstadien. Neuried hat schon das Genehmigungsverfahren eingeleitet, Gauting hat Konzentrationsflächen, Krailling und Planegg müssen noch Grundsätzliches klären, Gräfelfing hat begrenzte Möglichkeiten. Aber warum überhaupt? Wird nicht zu viel Wald vernichtet? Was ist mit Vogelschlag und Insektensterben? Was für Potenziale hat die Windkraft in unserer windschwachen Region? Welche Erfahrungen hat man in Berg und in Fuchstal gemacht? Werden sich Bürger finanziell beteiligen? Wie geht das? Was ist, wenn kein Wind weht? Solche und weitere Fragen werden von ausgewiesenen Experten angesprochen.

Grünzug Netzwerk 2024 07 03

Als Experten waren angekündigt:

  • DR. BRIGITTE KÖSSINGER  (Bürgermeisterin Gauting) – Aktueller Verfahrensstand
  • ROBERT SING (Ingenieurbüro Sing) – Windkraft in Gauting, finanzielle Bürgerbeteiligung
  • RUPERT STEIGENBERGER (Bürgermeister Berg) – Erfahrungen in Berg, finanzielle Bürgerbeteiligung
  • PROF. MICHAEL STERNER (OTH Regensburg) – Windkraft: Notwendigkeit, Potenziale, Speicher
  • SIMON TANGERDING (Schutzgemeinschaft Deutscher Wald) – Waldfunktionen erhalten, Windkraft im Wald als Teil der Lösung

Einleitung

Man konnte gespannt sein, was denn alles an neuen Informationen geboten werde, wie es sich denn mit den Windrädern im Wald verhalte, was man denn tut, wenn kein Wind weht, und eben, wie man das alles hinkriegt.

Die Veranstaltung begann pünktlich um 19 Uhr. Der Saal war zu etwa 70 % gefüllt.

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Zu Beginn setzte sich einer der Referenten an das extra zu diesem Zwecke auf das Podium gestellte Klavier und spielte einige Takte zur musikalischen Einstimmung. Das war zu diesem Zeitpunkt noch unverfänglich, später zeigte sich jedoch, dass dies Teil eines übergreifenden Plans war. Offenbar sollte mit dieser Einlage, und auch mit dem später in der Pause präsentierten Musikstücken, das Auditorium emotional auf die danach verkündeten Botschaften eingestimmt werden. Beim Pianisten handelte es sich um den als Hauptredner angekündigten Prof. Sterner.

Zunächst wurden die Referenten kurz vorgestellt. Gleich im Anschluss gab dann Dr. Herbert Stepp vom Grünzug Netzwerk eine Einführung in den Abend.

Vorwort des Vorsitzenden des Grünzug Netzwerks

Dr. Stepp präsentierte das Grünzug Netzwerk als Umweltschutzverein und zeigt einige Folien zum Vergleich des Einflusses zwischen dem Kiesabbau im Wald und dem Aufstellen von Windrädern im Wald. Das war schon befremdlich genug, weil Windräder nun einmal nichts mit Kiesabbau zu tun haben. Äpfel und Birnen sind einander ähnlicher. Seine Grundthese war, man müsse die Windräder (im Wald) bauen, weil Windräder ja CO2-freien Strom liefern und das diene dem Klimaschutz: ohne Klimaschutz ist aller Naturschutz wertlos. Das ist schon eine bemerkenswert unterkomplexe Aussage, wird darin doch unterstellt, Windräder im Würmtal könnten überhaupt einen messbaren Beitrag zum Schutz des globalen Klimas und speziell unserer Wälder leisten (s. dazu Windkraft und CO2).

Neben dem Bevölkerungswachstum sind die globale Erwärmung und das Artensterben die großen Probleme unserer Zeit. Alle drei bedrohen Ökosysteme und Artenvielfalt. Die globale Erwärmung beeinflusst Meere, Moore und Wälder. Aber der Schutz dieser Ökosysteme ist auch Teil der Lösung. Gesunde und vielfältige Ökosysteme spielen eine entscheidende Rolle im Kampf gegen die Auswirkungen des Klimawandels. Sie dienen als Kohlenstoffsenken, indem sie CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen und langfristig speichern. Wälder, Moore und Meere sind Beispiele dafür. Natürlicher Klimaschutz setzt auf die natürlichen Funktionen von Ökosystemen, um Umweltauswirkungen zu mildern. Dazu gehört neben der Speicherung von Kohlenstoff auch die Pufferung von Extremwetterereignissen. Naturschutz ist Klimaschutz!

Letztlich kommt dies auch den Menschen zugute: Klima- und Naturschutz dienen nicht nur der Umwelt, sondern auch dem Schutz unserer Lebensgrundlagen. Intakte Naturräume sind unsere Verbündeten im Kampf gegen den Klimawandel.

Im Weiteren konnte es sich Dr. Stepp nicht verkneifen, auf unsere sehr erfolgreiche Bosco-Veranstaltung vom April mit dem Hauptredner Prof. Vahrenholt zurückzuverweisen und zu versuchen, die dort getroffenen Aussagen in Zweifel zu ziehen. Konkret nahm er den Aspekt Mikroplastikabrieb ins Visier. Ohne auf die chemischen Eigenschaften des Abriebs von den Rotorflügeln und die Tatsache, dass dieser im Wald emittiert wird auch nur mit einer Silbe einzugehen, verglich er die Mengenexposition mit dem Abrieb von Schuhsohlen und Autoreifen. Das rhetorische Konzept dahinter nennt man Whataboutism: Weil man kein Argument in der Sache hat, lenkt man die Aufmerksamkeit einfach auf einen anderen Gegenstand. So wie in diesem Beispiel: Fritz kommt mit einer 4 in Mathe nach Hause. Nach Fritz‘ Meinung kein Problem: Max hat sogar eine 6.

Die gute Resonanz auf den Vortrag von Prof. Vahrenholt war ihm offenbar grundsätzlich ein Dorn im Auge. Er nannte einen Faktencheck zum Vortrag von Vahrenholt und empfahl, dort die Aussagen zu überprüfen. Wenn man das tut – und Dr. Stepp hat das doch wohl im Vorfeld getan – dann findet man nichts von Substanz, was die von Vahrenholt getroffenen Aussagen widerlegen könnte. Bei Lichte betrachtet handelt es sich mitnichten um einen Faktencheck, sondern um einen Meinungscheck.

Vortrag der Gautinger Bürgermeisterin

Nach der Einleitung fasste die Bürgermeisterin, Dr. Brigitte Kössinger, den aktuellen Stand zu den Windkraftplanungen in Gauting zusammen. Auf einen kurzen Nenner gebracht bekannte sie dabei freimütig, dass das weitere Geschehen nicht in den Händen der Gemeinde liegt, weil die Planungen dazu bereits vor einem Jahr auf dem Wege einer Optionsvereinbarung an den Projektierer Sing übertragen worden sind.

Die Gemeinde Gauting hat also, ohne die Bürger dazu zu befragen oder im Vorfeld davon in Kenntnis zu setzen, die durchaus sehr weitreichende Entscheidung zum Bau von bis zu 10 Windkraftanlagen in Gauting an einen Unternehmer delegiert. Dieses Bekenntnis ist eigentlich ein politischer Skandal. Und es zeigt, wie wichtig die Arbeit der Bürgerinitiative und das Bürgerbegehren in dieser Sache sind. Auch wenn die Bürgermeisterin dazu lapidar meint: „Selbst wenn die Gemeinde in dieser Angelegenheit nichts mehr unternimmt, kann die Errichtung von Windkraftanlagen nicht verhindert werden“.

Die Ausführungen des Windkraft-Projektierers

Robert Sing war der nächste Redner. Er zeigte einmal mehr die bekannten Folien zu den geplanten Standorten der Gautinger Windräder und erläuterte das Bürgerbeteiligungsmodell. Dazu die üblichen Beruhigungspillen zum Stromertrag und dem dank der Subventionen gewährleisteten Wirtschaftlichkeit, der minimalen Beeinträchtigung des Waldes und den auch sonst nicht vorhandenen Risiken für nichts und niemand.

Wie Sing u. a. ausführte, wurde die Vorbescheidsanfrage für sechs der sieben angefragten Windkraftanagen bei Königswiesen und Buchendorf wegen Bedenken betreffend der Flugsicherheit vorläufig negativ beschieden. Das sei aber nichts Ungewöhnliches und komme in der frühen Planungsphase häufig vor. Er sei daher sehr optimistisch, dass es sich dabei nicht um das letzte Wort handele.

Erfahrungsbericht aus Berg

Nach Sing kam der Berger Bürgermeister Rupert Steigenberger ans Rednerpult und berichtete über die Erfahrungen in Berg mit seinen 4 Windrädern. Er sei vom Saulus zum Paulus geworden. Man könnte auch sagen, vom 3. Bürgermeister zum Aufsichtsratsvorsitzenden der Berger Bürgerwind GmbH. Kommunale Windkraft schafft Posten und Pöstchen, das ist sicherlich auch ein nicht zu unterschätzender Anreiz.

Steigenberger zeigte Folien zum Stromertrag seit 2015 und zu den jährlichen prozentualen Ausschüttungen. Obwohl die Zahlen mit Jahresrenditen zwischen 4 und 30 % auf den ersten Blick gut aussehen, war die durchschnittliche Rendite in Berg „nur“ 6,8%. Für eine 20 Jahre laufend Kapitalanlage ist das nicht überwältigend. Dabei hat der Windpark enorm von den Kriegsgewinnen im Jahr 2022 profitiert. Die Ausschüttung sprang in diesem Jahr von durchschnittlichen Werten um 6 % auf 30 %. Ohne die hohen Kriegsgewinne in 2022 würde die Durchschnittsrendite bei 5,6% liegen.

Wer in der gleichen Zeit sein Geld in Aktien oder ETF investiert hat, konnte ein Mehrfaches davon erzielen und war jederzeit frei darin, sein Engagement zu beenden oder teilweise zu versilbern.

Unter anderen lernte man im Vortrag von Steigenberger auch, dass die Investitionskosten für die WKA noch einmal deutlich höher waren als die üblicherweise kolportierten Werte von 1 – 1,5 Mio. € pro Megawatt Nennleistung. Für die 4 Berger Windkraftanlagen mit einer Nennleistung von 12 Megawatt mussten insgesamt 21,6 Mio. € aufgewendet werden. Das sind somit 1,8 Mio. € pro Megawatt.

In Summe kann man festhalten, dass der Berger Windpark für den Betreiber und die Investoren ein Erfolgsmodell ist, auch wenn die Renditen eher mager ausfallen. Nichtsdestotrotz handelt es sich im Hinblick auf das Ziel der Energiewende um eine Mogelpackung.

Zwar produzieren die 4 Windräder übers Jahr in etwa so viel Strom, wie die Gemeinde insgesamt benötigt. Dennoch muss Berg die Hälfte des in der Gemeinde benötigten Stroms von extern beziehen, weil die Windräder den Strom eben nach Wetterlage erzeugen und nicht dann, wenn er tatsächlich gebraucht wird.

Das ist das bekannte Grundproblem der Windstromproduktion. Mal wird viel mehr Strom produziert als benötigt, oft ist es aber genau umgekehrt: Der Bedarf ist hoch, aber es weht zu wenig Wind. Tatsächlich ist die Versorgungssicherheit mit Windstrom (inkl. Anteilen von Berger Solarstrom) an über 200 bis 240 Tagen des Jahres nicht gewährleistet. Ohne externe Zulieferung würden viele Haushalte von Strommangel betroffen sein. Das geht hin bis zu Totalausfall.

Und wenn man die Energiewende ernst nimmt und tatsächlich Versorgungssicherheit anstrebt, dann benötigt man zusätzlich zu den Berger Windrädern große Batteriespeicher, Power-to-Gas-Kraftwerke und Gasspeicher oder Backupkraftwerke. Im Falle von Batteriespeichern würde sich der Preis für den Berger Windstrom im Minimum um 50 ct/kWh erhöhen. Im Ergebnis wäre die Betreibergesellschaft unter den Bedingungen einer Windstromproduktion mit Batteriespeichern und ohne die heute noch auf Seiten der Energieversorger im Hintergrund arbeitenden Grundlastkraftwerke längst insolvent. Der Berger Windstrom wäre unverkäuflich.

Rupert Steigenberger hat das gewiss nur vergessen zu erwähnen. Oder er wollte keinen Schatten auf sein Berger Erfolgsmodell fallen lassen.

Wie wir das Klima retten

Der Hauptredner, Prof. Michael Sterner, betrat gegen 20:00 Uhr die Bühne. Man erwartete – trotz der musikalischen Einlage zu Beginn – dass nun wissenschaftlicher Sachverstand präsentiert werde. Um es vorwegzunehmen: Diese Erwartung wurde enttäuscht. Prof. Sterner entpuppte sich als Wanderprediger in Sachen „Klimaschutz“, der nicht gewillt oder nicht in der Lage war, irgendetwas Substanzielles zu den technischen, ökonomischen und ökologischen Herausforderungen und Lösungen zu sagen.

Für einen „Wissenschaftler“ bemerkenswert, dass er sich in seinem Vortrag als jemand präsentiert, der in der Tradition eines Franz von Assisi steht. Er fühlt sich verpflichtet, für seine Musik, die Kunst, die Wissenschaft und seine Thesen einzutreten und begreift sich und die ihm Gleichgesinnten gewissermaßen als Instrumente Gottes: „Wir sind seine Hände, seine Ohren und Augen und wir sollten das tun, was in unserer Macht steht, damit die Welt für alle menschlich und erlebbar wird, die Natur und die ganze Schöpfung“.

Damit hat er einen weiten Bogen geschlagen und der Veranstaltung einen fast schon religiösen Charakter zugewiesen. Das Folgende war in der Tat kein wissenschaftlicher oder technischer Vortrag, sondern eher eine Predigt. Darin hat der Professor-Pfarrer „offenbart“, dass die Politik und die geistliche Macht miteinander verknüpft seien. Beide zusammen sind beauftragt, für die “Rettung der Welt“ vor der „menschengemachten Klimakatastrophe“ zu sorgen. Das ist die himmlische Mission! Und dafür braucht es einen strategischen Plan zur Errichtung von Windkraftanlagen.

Man ist konsterniert, wie der „Regensburger Pfarrer und selbsterklärte Gesandte des Himmels“ angesichts dieser Positionierung bei den Scientists for Future engagiert sein kann. Es wirft jedenfalls kein gutes Licht auf Letztere, wenn solche Leute in ihrem Namen sprechen.

Der Professor-Pfarrer hat ein Buch geschrieben mit dem bezeichnenden Titel „So retten wir das Klima“. Er sorgt sich auch darum, dass dieses Buch in die Schulen kommt und meint, dass jeder Schüler wissen sollte, wie wir das Klima retten können. Für diese Forderung gab es viel Beifall von dem zu diesem Zeitpunkt bereits emotional mitgenommenem Publikum.

Und wie kriegen wir das im Würmtal hin?

Mit der Rettung Bayerns und der Welt durch Windkraft und weiteren hochemotionalen Botschaften, die Prof. Sterner indessen als Fakten versteht, geht es weiter über eine halbe Stunde. Die Zeit war schon weit fortgeschritten und immer noch wartete man auf Substanzielles und die Beantwortung der Frage „Wie kriegen wir das hin?“. Konkreter: Wie schaffen wir es, Windkraft im Würmtal zu etablieren, obwohl hier wenig Wind weht? Und wie können wir das Problem der schwankenden und mitunter ganz ausbleibenden Windstromproduktion lösen?

Mit Speichern natürlich, dafür ist Professor Sterner schließlich Experte, deswegen wurde er eingeladen. Sagt er dazu auch noch etwas? Tatsächlich, dazu äußert er sich ebenfalls. Ganz zum Schluss seines Vortrags spendiert er dafür einige dürre Worte: Kein Problem! Alles schon technisch gelöst. – Kein Wort zur Komplexität und zum Wirkungsgrad des technischen Prozesses. Kein Wort zu den Investitionskosten. Kein Wort zu den Auswirkungen auf den Strompreis. – Na ja, Luftschlösser tragen nie ein Preisschild.

Prinzipiell ist das alles technisch gelöst, da hat Prof. Sterner sicherlich Recht. Prinzipiell können wir auch zum Mond fliegen. Prinzipiell werden wir innerhalb der nächsten 20 Jahren auch den Weg zum Mars nehmen und dort landen. Aber heißt das auch, dass es dafür eine wirtschaftliche Lösung gibt? Natürlich nicht. Die Lücke zwischen „prinzipiell machbar“ und wirtschaftlich umsetzbar kann riesengroß sein. Und im Falle der Speichertechnologie ist genau das der Knackpunkt.

Theoretisch ist vieles machbar, es gibt aber leider diesen Unterschied zwischen Theorie und Praxis. Und wenn es um eine sichere Stromversorgung geht, nützt es nicht viel, wenn man zwar theoretisch billige Batterien und funktionierende Power-to-Gas-Lösungen haben könnte, sie aber tatsächlich nicht hat. Dabei ist das Problem der knappen Ressourcen noch nicht einmal berücksichtigt.

Nach diesem Vortrag kann man nur resümieren: Prof. Sterner ist ein Märchenerzähler, ein Traumtänzer, ein Utopist. Und wie er sich gibt, vielleicht einfach nur ein Verkünder der künftigen paradiesischen Zustände: Wir müssen die Welt retten und das ist jedes Opfer wert.

Der Weg ins Paradies ist für ihn gepflastert mit guten Vorsätzen. Das Wohl der Menschen im Diesseits ist für ihn keine relevante Kategorie. Versorgungssicherheit, bezahlbarer Strom und eine prosperierende Wirtschaft, das sind ihm bloß die weltlichen Wünsche der Ungläubigen, die sich dem großen Ziel der Errettung entgegenstellen.

Als Kontrastprogramm nun noch einige Fakten jenseits der Sternerschen Predigt.

Speicherfakten

Zunächst zu den Batteriespeichern. Das verschiedentlich genannte Kostenniveau von 1000 €/kWh Speicherkapazität ist der Betrag, den man für Haus-Batteriespeicher heute typischerweise aufwenden muss. Natürlich können die Kosten durch Skalierungseffekte langfristig sinken, vielleicht sogar auf 100 €/kWh. Aktuell sind sie aber noch deutlich höher, wie man der folgenden Aufstellung über deutsche Großspeicherprojekte entnehmen kann:

Ort / ProjektSpeichergröße
in MWh
Speicherkosten
Euro/kWh
Investiton
Mio. Euro
Feldheim 510005
Steag 12080096
Schwäbisch Hall1,46000,84
Jardelund 5060030
Kupferzell 250750188
Tabelle 1: Auswahl zu atuellen Batteriespeicherprojekten in Deutschland

Grundsätzlich muss man unterscheiden zwischen den Herstellungskosten der Zellen und den Industrieverkaufspreisen der konfektionierten Speicher (inkl. Gehäuse, Software, Steuerungselektronik, Sicherheitsroutinen, …) mit einer 20-jährigen Lebensdauer. Die o.g. genannten 100 €/kWh sind für zyklenfeste Speicher wohl eher theoretisch mögliche Zellenpreise. Selbst dieser sehr optimistische Speicher-Zielpreis würde den fairen Strompreis für die Berger Windräder auf über 50 ct/kWh erhöhen. Da helfen noch nicht einmal die staatlichen Subventionen.

Wird EE-Gas (also z.B. Methan aus Windstrom) als Stromspeicher eingesetzt, beträgt der Wirkungsgrad von Strom zu Strom zwischen 30 % und 40 %. Sofern EE-Gas in Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen rückverstromt wird, sind Gesamtwirkungsgrade bis zu 62 % erreichbar. Auf der Stromebene bleibt es aber bei etwa 35 %.

Synthetisches Methan kostet heute etwa 20 bis 30 Cent pro Kilowattstunde. Die Kosten können laut Agora Energiewende bis 2050 auf ca. 10 Cent je Kilowattstunde sinken, sofern die global installierte Power-to-Gas-Kapazität auf 100 Gigawatt steigt. Aktuell (2022) werden in Deutschland insgesamt 54 Power-to-Gas-Projekte gezählt. Davon waren 23 Anlagen noch in Planung. Einige Projekte wurden bereits wieder eingestellt. Die Gesamterzeugungskapazität liegt bei 50 Megawatt, also 0,05 Gigawatt. – Der Weg nach Utopia scheint noch weit.

Obwohl der Prozess Power-to Gas mit Gasspeicherung und Rückverstromung grundsätzlich günstiger ist als die Speicherung in Batteriespeicher, erhöht sich auch dadurch der Strompreis erheblich. Zudem ist der Prozess technisch komplexer und störungsanfälliger.

Der Waldvortrag von Simon Tangerding

Simon Tangerding ist als Förster und Geschäftsführer der „Schutzgemeinschaft Deutscher Wald“ zweifellos vom Fach. Er redet sehr profund über den Zustand des Waldes in Deutschland, in Unterfranken und im Gebiet südlich von München. Dass es mit dem Wald nicht zum Besten bestellt ist, kann man nach seinem Vortrag kaum in Zweifel ziehen. Er sieht den Wald vor allem vom Klimawandel bedroht und bläst damit ins gleiche Horn, wie Prof. Sterner und Dr. Stepp vom Grünzug Netzwerk. Bis dahin mag man ihm noch folgen. Allerdings zieht er aus diesem Befund den zwar zum Tenor des Abends passenden aber keineswegs logisch zwingenden Schluss, nun müsse man in diesem bedrohten Wald Windkraftanlagen aufstellen, weil diese ja für eine CO2-arme Energieerzeugung stehen und somit das Klima schützen.

Nun wissen wir ja, welchen Beitrag Deutschland an der globalen CO2-Emission trägt: Es sind ca. 1,8%. Eine Windkraftanlage im Wald kann – je nachdem, womit man die Stromproduktion vergleicht – 8.000 t CO2 im Jahr „einsparen“. Das entspricht 0,00002 % oder 0,2 Millionstel der weltweiten jährlichen Emissionen. Zu glauben, mit einem solchen Windrad könne man die globale Erwärmung beeinflussen, ist etwa so, als würde man es für eine praktikable Idee halten, den Pegel des Starnberger Sees durch Ausschöpfen mit einem Wassereimer signifikant zu senken.

Damit soll nicht die Verantwortung auf andere abgewälzt werden, es soll lediglich gezeigt werden, dass die Aufstellung von Windrädern im Wald keine zielführende Maßnahme ist, wenn man zugleich vorgibt, den Wald schützen zu wollen. Denn durch den Bau von Windkraftanlagen im Wald wird selbiger evident nicht geschützt, sondern zusätzlich gestresst, ohne dass man dem ausgegebenen „Klimaschutzziel“ auch nur einen Millimeter näherkommt.

Um das Argument richtig zu verstehen, muss man lediglich die beiden Effekte gegenüberstellen und sich fragen, welcher der größere ist: Sind die lokalen Beeinträchtigungen der Funktionen des Waldes durch das Aufstellen eines Windrads höher zu gewichten oder weniger bedeutsam als der von den Befürwortern unterstellte positive Einfluss auf den „Klimaschutz“? – Die Antwort sollte niemand schwerfallen. Natürlich können die unmittelbar im Wald auftretenden Schädigungen durch Abholzung, die Störung des Ökosystems und des Wasserkreislaufs niemals durch den lediglich im globalen Mittel relevanten und dabei verschwindend geringen rechnerisch positiven Effekt auf den „Schutz des Klimas“ in Höhe von 0,2 Millionstel der eingesparten CO2-Emissionen auch nur annähernd kompensiert werden.

Die Podiumsdiskussion

Nach den Vorträgen konnten die Besucher Fragen an die Referenten einreichen. Leider hat sich das Podium nicht getraut, die Fragen aus dem Publikum live zu beantworten. Die Fragen mussten auf Zettel geschrieben werden und wurden vor der Beantwortung erstmal sortiert – und natürlich ausgewählt. So hatten wirklich kritische Fragen keine Chance, das Gehör der Öffentlichkeit zu finden.

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Resümee

Summa summarum war das ein Abend nahezu völlig ohne Erkenntnisgewinn. Von den vier relevanten Veranstaltungen zum Thema Windkraft im Bosco:

war Letztere mit Abstand die schwächste.

Windkraft im Würmtal: Wie kriegen wir das hin? – Dieser Anspruch wurde ganz klar verfehlt. Kein Wort zum Wie, aber viele und dazu weitgehend fehlerhafte oder gar widersinnige und unhaltbare Thesen zum Warum.

Diesen Abend hätte man besser zu Hause verbracht.

Mikroplastikabrieb bei Windrädern

Einleitung

(fih) Bereits 2020 hat der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags (WD, s. {1]) eine Abschätzung zur Exposition vom Mikroplastik durch Windräder veröffentlicht. Der WD beruft sich dabei bezüglich der wissenschaftlichen Datenbasis auf Studien und Analysen von Fraunhofer IWES.

Grundlagen der Berechnung

Nachfolgend eine aktualisierte Berechnung dazu, die vom Autor aufgrund der größeren Dimension heutiger Rotoren modifiziert wurde. Gegenüber der durchschnittlichen Größe der Rotoren von Windrädern im deutschen Bestand von weniger als etwa 60 m, weisen neue, große dimensionierte Windkraftanlagen der Leistungsklasse von 6 MW und darüber hinaus oft Rotorlängen von 75 m und mehr auf. Folgerichtig wird in der Abschätzung unterstellt, dass sich bei solchen Anlagen der maßgebliche Plastikabrieb über eine größere Rotorfläche erstreckt. Bei den kleineren Rotoren konnte man sich in der Überschlagsrechnung auf die äußersten 10 m des Rotors beschränken, wobei auch dies eine grobe Näherung darstellt, weil natürlich auch die weiter zur Drehachse hin befindlichen Rotoroberflächen der Erosion ausgesetzt sind. Bei den Großrotoren gehen wir von einer maßgeblich dem Abrieb unterliegenden Bereich auf den äußersten 20 m des Rotors aus. Das ist begründbar durch die bei längeren Rotorblättern mindestens gleich hohen oder höheren Tangentialgeschwindigkeiten bei allenfalls leicht niedrigerer Drehzahl.

Die Dicke der Beschichtung auf den Rotorblättern wurde auf Basis der Daten von Fraunhofer IWES zu 5 mm angenommen.

Abschätzung zur Menge des Mikroplastikabriebs

Daten und AnnahmenWert und Dimension
1 Rotorblatt, Länge75 m
Abrieb insbesondere auf den äußersten20 m
Rotorblattbreite
im Modell vereinfacht dreiecksförmig zur Spitze hin zulaufend angenommen
2 m
Beschichtungsdicke
betrachtet wird nur die Vorderseite, da sie Wind und Wetter besonders ausgesetzt ist
5 mm
Zeitraum für den vollkommenen Abtrag der Beschichtung
(lt. Fraunhofer IWES)
4 Jahre
Spez. Dichte der Beschichtung
(lt. Fraunhofer IWES)
\(1.2\,\text{kg/}\text{dm}^3\)
KategorieBerechnung und Dimension
Geschätzte abriebwirksame Fläche\(\frac{1}{2}\cdot 20 \cdot 2 = 20\, \text{m}^{2}\)
Beschichtungsvolumen\(20 \cdot 0.005 = 0.1\, \text{m}^{3}\)
Resultierender Materialabrieb pro Rotorblatt\(1,2 \cdot 0.1 \cdot 1000 = 120\,\text{kg}\)
Resultierender Materialabrieb pro Windrad (3 Rotorflügel)\(120 \cdot 3 = 360\,\text{kg}\)
Abrieb und Exposition von Mikroplastik pro Windrad und Jahr\(\frac{360}{4} = 90\,\text{kg}\)

Angewendet auf Gauting

Die geplanten 10 Gautinger Windräder im Wald rund um Gauting resultieren in ca. 900 kg Plastikabrieb pro Jahr. Nimmt man die weiteren in Krailling und im Forstenrieder Park geplanten 10 Windräder hinzu, dann sind es 1.800 kg. Dieser Mikroplastikabrieb wird über den Wald verteilt und gelangt in die Böden.

Das muss man nicht weiter kommentieren!

In diesem Zusammenhang wird auch auf die grundsätzlichen Bemerkungen zum Rückbau von Windrädern verwiesen (s. Menüpunkt Klima & Umwelt – Wald). Allein die überwiegend aus Verbundwerkstoffen bestehenden Rotoren der 20 Windkraftanlagen führen am Ende der Nutzungszeit zu einer Abfallmenge von etwa 900 Tonnen. Dabei wurden Rotorblätter einer Länge von 75 m mit einem Gewicht von ca. 15 t angenommen. Im Hinblick auf das mögliche Recycling nachfolgend das Originalzitat aus der Projektbeschreibung eines Betreibers über die Errichtung einer Enercon Windenergieanlage mit 5,6 MW Nennleistung:

„Zum heutigen Zeitpunkt ist noch nicht absehbar, welche Recyclingtechniken nach Aufgabe der Nutzung zum Einsatz kommen, daher können hierüber noch keine abschließenden Aussagen getroffen werden.“

(Hieronymus Fischer)


Quellen:

[1] Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestags (WD) WD-8-077-20-pdf-data.pdf (bundestag.de)

[2] Regenerosion an Rotorblättern effektiv vorbeugen (fraunhofer.de)

[3] Fraunhofer IWES sagt Erosion von Windkraftanlagen den Kampf an (windbranche.de)

[4] Entwicklung einer Methode zur Bestimmung der Lebensdauer von Rotorblatt-Beschichtungen (Fraunhofer IWES)

[5] Recycling von Windkraftanlagen (Fraunhofer ICT)

[6] Youtube Video zum Mikroplastikabrieb in einem Windpark im Allgäu