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Energetische Autarkie

Ist Selbstversorgung ein vernünftiges Ziel?

Es ist eine berechtige Frage, inwiefern energetische Autarkie für eine Gemeinde überhaupt ein erstrebenswertes Ziel sein soll. Niemand verlangt schießlich die Eigenversorgung mit Kartoffeln ober mit Rohstoffen zur Produktion von Batterien. Und es wurde auch noch nicht gefordert, jede Gemeinde müsse sich im Falle eines Krieges selbst verteidigen können und dafür die nötigen Ressourcen hinsichtlich Soldaten und Bewaffnung bereithalten.

Der Begriff „Autarkie“ steht grundsätzlich für die Unabhängigkeit von äußeren Faktoren. Angewandt auf den Strombedarf einer Kommune wäre das die vollständige Selbstversorgung mit Strom oder allgemeiner, mit Energie. Man spricht dann konkret von „energetischer Autarkie“ oder von „Energieautarkie„.

Selbstredend macht solches Denken erkennbar wenig Sinn. Die Vernetzung und die Zusammenarbeit über die engen kommunalen Grenzen hinaus sind ja nachgerade die entscheidenden Faktoren einer prosperierenden Wirtschaft und damit des Wohlstands. Warum sollte das im Hinblick auf die Energieversorgung anders sein?

Dessen ungeachtet wird von vielen Kommunen und von Landkreisen immer häufiger das Ziel der energetischen Autarkie ausgegeben, als läge darin der Schlüssel für eine sichere und bezahlbare Energieversorgung. Das Gegenteil ist richtig: Nur auf Basis einer übergreifenden Zusammenarbeit besteht überhaupt eine Chance zur Herstellung der Versorgungssicherheit mit Strom bei gleichzeitiger Bezahlbarkeit. Kommunale Energieautarkie ist ein völlig irrelevanter Euphemismus und am Ende für die Sicherstellung einer bezahlbaren Energieversorgung sogar schädlich, weil die falschen, hohe Kosten verursachenden Akzente gesetzt werden.

Bilanzielle Autarkie ist keine Autarkie, sondern Augenwischerei

Wenn ein Windpark 100 % des Jahresstrombedarfs liefert, dann hat man doch die Energieversorgung mit Windstrom gesichert, könnte man meinen. Dem ist leider nicht so, weil bilanzielle Autarkie und Versorgungssicherheit meilenweit auseinander liegen. Diese simple Tatsache ist vielen nicht klar und wird von den Projektträgern und politischen Befürwortern geflissentlich verschwiegen, sofern sie überhaupt darüber Bescheid wissen. Das soll im Folgenden näher erläutert werden. Betrachten wir zunächst ein theoretisches Idealmodell der Windstromproduktion. Die näheren Hintergründe zur Theorie werden in Versorgungssicherheit mit Windstrom – eine theoretische Analyse | sumymus im Detail erläutert.

Theoretische Versorgungssicherheit unter idealen Bedingungen

Wenn genausoviel Strom produziert wird, wie man im Mittel benötigt (das wird oft und fälschlicherweise „Autarkie“ genannt), dann hat man tatsächlich (unter den genannten theoretischen Bedingungen, s. Abb, 1) nur eine Versorgungssicherheit von 30 % und dementsprechend ein Versorgungssrisiko von 70 %. Im Diagramm entspricht diese Situation einem Produktionsfaktor von q = 1. An 70 von 100 Tagen wird in diesem Falle zu wenig Strom produziert, obwohl über das Jahr betrachtet die Stromproduktion dem Bedarf entspricht. An 30 von100 Tagen wird entsprechend mehr Strom erzeugt als man tatsächlich benötigt, wovon man allerdings nicht profitieren kann, wenn die Stromspeicher nicht vorhanden sind.

Versorgungssicherheit Wind Ideal

Abbildung 1: Theoretische Versorgungssicherheit aus der Produktion von Windstrom unter idealen Bedingungen als Wahrscheinlichkeitsverteilung. Auf der x-Achse ist der Umfang der Windstromproduktion in Vielfachen des Strombedarfs (Produktionsfaktor q) aufgetragen. Die y-Achse zeigt die resultierende Versorgungssicherheit als Funktions des Produktionsfaktors q. Die Berechnung basiert auf der typischen Windverteilung in Deutschland, Ferner wurde eine Windstromproduktion unter theoretisch idealen Bedingungen (verlustfrei, 100-prozentige Verfügbarkeit, keine Abschaltung) angenommen. Ein Zahlenbeispiel: Wenn der Produktionsfaktor = 1 ist (also genausoviel Strom produziert wird, wie im Mittel benötigt wird), dann liegt die Versorgungssicherheit bei 0,3 (= 30 %) und das Versorgungssrisiko bei 0,7 (= 70 %).

Selbst dann, wenn man 10-mal mehr Windstrom produziert als tatsächlich im Gesamtjahr benötigt wird (Produktionsfaktor q = 10), ergibt sich nur eine Versorgungssicherheit von 0,77 (= 77 %). In diesem Falle hätte man zugleich eine Überproduktion von 900 % (was wiederum das Stromnetz destabilisiert) und dennoch ein signifikantes Versorgungsrisiko. Auch beim Hundertfachen (Produktionsfaktor q = 100) kommt man nur auf eine Versorgungssicherheit von 95 %. Abgestützt ausschließlich auf Windstrom und ohne Speicher sind daher Versorgungssicherheit und Autarkie noch nicht einmal theoretisch erreichbar.

Theoretische Versorgungssicherheit unter realitätsnahen Bedingungen

Und wie sieht es in der Praxis aus? Betrachten wir dazu die realen Bedingungen für Windräder mit definierter Leistungscharakteristik. Dazu gehört neben der Abhängigkeit der Stromproduktion von der Windgeschwindigkeit vor allem der von der Drehzahl abhängige sogenannte Erntefaktor. Auch die Abschaltung von Windrädern ab einer bestimmten Windgeschwindigkeit und Nullertrag bei Windgeschwindigkeiten unter einer bestimmten Schwelle (meist bei ca. 2 – 3 m/s) wird berücksichtigt. Im Ergebnis erhält man den in Abb. 2 dargestellten Verlauf der typischen Versorgungssicherheit mit Windstrom.

Versorgungssicherheit Wind Real

Abbildung 2: Theoretische Versorgungssicherheit aus der Produktion von Windstrom unter realitätsnahen Bedingungen als Wahrscheinlichkeitsverteilung. Auf der x-Achse ist der Umfang der Windstromproduktion in Vielfachen des Strombedarfs (Produktionsfaktor q) aufgetragen. Die y-Achse zeigt die resultierende Versorgungssicherheit als Funktions des Produktionsfaktors q. Die Berechnung basiert auf der typischen Windverteilung in Deutschland, Ferner wurde eine Windstromproduktion unter unter realitätsnahen Bedingungen (minimale Windgeschwindigkeit, Abschaltung bei Maximalschwindigkeit, Erntefaktor entsprechend Leistungscharakteristik) angenommen. Ein Zahlenbeispiel: Wenn der Produktionsfaktor q = 1 ist (also genausoviel Strom produziert wird, wie im Mittel benötigt wird), dann liegt die Versorgungssicherheit bei 0,36 (= 36 %) und das Versorgungssrisiko bei 0,64 (= 64 %).

Wenn genausoviel Strom produziert wird, wie im Mittel benötigt wird (die falsche „Autarkie„), dann hat man tatsächlich (unter den genannten theoretischen aber realitätsnahen Bedingungen) nur eine Versorgungssicherheit von 36 % und dementsprechend ein Versorgungssrisiko von 64 %. Im Diagramm entspricht diese Situation einem Produktionsfaktor von q = 1. An 64 von 100 Tagen wird in diesem Falle zu wenig Strom produziert, obwohl über das Jahr betrachtet die Stromproduktion dem Bedarf entspricht. An 36 von 100 Tagen wird entsprechend mehr Strom erzeugt als tatsächlich benötigt wird, wovon man ohne Speicherung allerdings nicht profitieren kann.

Selbst dann, wenn man 10-mal mehr Windstrom produziert als tatsächlich im Gesamtjahr benötigt wird (Produktionsfaktor q = 10), ergibt sich nur eine Versorgungssicherheit von 0,77 (= 77 %). Damit hätte man eine das Stromnetz destabilisierende temporäre Überproduktion von etwa 900 % und dennoch ein signifikantes Versorgungsrisiko. Auch beim Hundertfachen (Produktionsfaktor q = 100) kommt man nicht einmal auf eine Versorgungssicherheit von 90 %. Abgestützt ausschließlich auf Windstrom und ohne Speicher sind daher Versorgungssicherheit und Autarkie in der Praxis nicht erreichbar.

Praktisches Beispiel eines kleinen Windparks

Betrachten wir ein Beispiel aus der Praxis. Der Windpark Berg (am Starnberger See) besteht aus 4 Windrädern. Die Gesamtstromproduktion mit Wind, Solar und Biomasse ist mit 104 % (in 2022) höher als der Jahresverbrauch der Gemeinde Berg. Die Kommune nennt das daher „energetische Autarkie„. Aber trotz der Biomasse- und Solarstromanteile ist der Stromertrag an 216 Tagen des Jahres (entsprechend einem Versorgungsrisiko von 59 %) geringer als der kommunale Strombedarf. In Abb. 3 ist der Verlauf der Jahresstromproduktion mit täglicher Über- und Unterversorgung im Jahresverlauf aufgetragen.

Versorgungsgrade Berg 2022

Abbildung 3: Exemplarische tägliche Versorgungsgrade in der Gemeinde Berg (2022). Bruttostromerzeugung 104 % des Bedarfs, 300 Tage mit temporärer Unterversorgung, 65 Tage mit permanenter Überversorgung. An ganz schlechten Tagen wird nur 3 % des tatsächlichen Bedarfs erzeugt, an sehr „guten“ Tagen dafür das 3,77-fache des Bedarfs.

Man entnimmt dem Diagramm, dass der Versorgungsgrad an 216 Tagen kleiner als 100 % ist (alle Tage mit roten Balken nach unten). An den restlichen 149 Tagen wird mindestens 100 % des Bedarfs oder sogar mehr Strom erzeugt (alle Tage mit blauen Balken nach oben). Selbstverständlich variert dieses Produktionsprofil in Abhängigkeit von den jeweiligen Wetterbedingungen eines Jahres. Im Grundsatz erhält man aber immer ein ähnliches Muster im Wechsel von Über- und Unterproduktion bei einem typischen Erwartungswert von etwa 60 % – 65 % der Tage mit Stromunterversorgung. Letztlich handelt es sich auch hierbei um eine Wahrscheinlichkeitsverteilung des Versorgungsgrads. Tatsächlich muss Berg, wie man mittels einer detaillierteren Analyse zeigen kann, ca. 50 % seines Strombedarfs von außen beziehen.

Ist das Autarkie? – Natürlich nicht! Die Gemeinde Berg ist in der Substanz auf externe Energielieferungen angewiesen und wird das auch bleiben, selbst dann, wenn noch weitere Windräder gebaut oder riesige PV-Freiflächenanlagen geplant werden (s. Starnberger Merkur vom 07.11.2024 Idee für PV-Freiflächenanlage bei Gut Biberkor).

Wenn also erklärt wird, die Gemeinde Berg sei aufgrund ihrer vier Windräder „energetisch autark“, dann ist das eine Falschbehauptung. Daran ändert auch die stete Wiederholung der Aussage nichts. Man fragt sich, welche Absicht hinter dieser Falschinformation steht? Will man den Leuten Sand in die Augen streuen?

Abschätzung zur Größe der täglichen Versorgungslücke

Wie gesagt, gibt es Tage mit Stromüberproduktion und Tage mit Stromunterproduktion bezogen auf den Bedarf. Es stellt sich die Frage, wie groß denn an den Tagen mit einem Versorgungsdefizit die typische tägliche Versorgungslücke in Einheiten des Tagesbedarfs ist. Eine Versorgungslücke von 100 % bedeutet, dass der komplette Tagesbedarf fehlt. Bei einer Versorgungslücke von 30 % fehlen demnach 30 % des Tagesbedarfs und müssen in diesem Umfang aus anderen Quellen (z.B. von extern) gedeckt werden.

Wir nehmen wieder den allgemeineren Gesichtspunkt unabhängig vom Beispiel Windpark Berg ein. In Abb. 4 ist der Zusammenhang zwischen der Größe der Versorgungslücke und der Wahrscheinichkeit (also der Häufigkeit) für deren Eintreten dargestellt. Dabei betrachten wir sechs Kurvenverläufe mit einem jeweils unterschiedlichen Grad der Jahresstromproduktion im Verhältnis zum Strombedarf.

Versorgungslücke Gt X Wind Real

Abbildung 4: Theoretische Versorgungslücke (unter realitätsnahen Bedingungen) bei der Windstromproduktion mit unterschiedlicher bilanzieller Autarkie (50 %, 100 % … 1000 %). Zur Interpretation der Kurven: Jede Kurve stellt einen Zusammenhang her zwischen der Größe der Versorgngslücke (x-Achse) und der Wahrscheinlichekit für das Eintreten der betreffenden Lücke. Beispiel blaue Kurve (bilanzielle Autarkie = 100 %, in den obigen Diagrammen Produktionsfaktor q =1 genannt). Eine Versorgungslücke von 40 % (x = 40 %) oder mehr stellt sich mit der Wahrscheinlichkeit von etwa 52 % (y = 52 %) ein. Die Versorgungslücke ist größer oder gleich 82 % (x = 82 %) in ca. 30 % (y = 30 %) der Fälle (also der Tage). Wenn die Stromproduktion fünfmal höher ist als der Jahresbedarf (braune Kurve, Produktionsfaktor q =5 ), dann tritt die Versorgungslücke von 40 % (x = 40 %) mit der Wahrscheinlichkeit von etwa 25 % (y = 25 %) ein. Die Versorgungslücke ist größer oder gleich 5 % (x = 5 %) in ca. 30 % (y = 30 %) der Fälle (also der Tage).

Die blaue Kurve in Abb. 4 steht für die sogenannte „bilanzielle Autarkie„, wenn also 100 % des Jahrestrombedarfs erzeugt wird. Wie man dem Diagramm entnimmt, heißt das mitnichten, dass keine Versorgungslücke besteht. Ganz im Gegenteil: Die Versorgungslücke beläuft sich auf etwa die Hälfte des jeweiligen Bedarfs mit etwa 48 %-iger Wahrscheinlichkeit, also an 48 % der Zeitspanne eines Jahres. Eine 90 %-ige Lücke entsteht immer noch mit 24 %-iger Wahrscheinlichkeit. Das sind erhebliche Einschnitte in die Versorgungssicherheit, die das Gerede von der „energetischen Autarkie“ als ziemlich leichtfertig und unreflektiert entlarven.

Wie man der Kurvenschar in Abb. 4 weiter entnimmt, ändert sich an diesem Befund sogar bei einer doppelten (200 %) oder gar 5-fachen Überproduktion (500 %) in der Substanz nicht viel. Allenfalls gibt es graduelle Verbesserungen. Ein Beispiel dazu: Wenn in der Jahresbilanz 500 % des benötigten Strom produziert wird, dann liegt die Versorgungslücke immer noch während 24 % der Zeitspanne eines Jahres in einer Höhe von 50 % des jeweiligen Bedarfs. D.h., mit einer Wahrscheinlichkeit von 24 % kann nur die Hälfte des Strombedarfs tatsächlich über Wind zur Verfügung gestellt werden. Man muss sich dabei vergegenwärtigen, was 500 % bedeutet: Es erfordert, dass z.B. in Berg nicht 4, sondern 20 Windräder stehen – und trotzdem würde man nennenswerte Anteile des Strombedarfs von extern beziehen müssen und wäre von einer echten Autarkie weit entfernt.

Abschätzung zur Größe der Speicherbedarfs

Wie man dem Vorstehenden entnehmen kann, ist mit Windstrom alleine (aber auch in der Kombination mit Solarstom) keine sichere Stromversorgung zu gewährleisten. Man benötigt in jedem Falle Speicher oder Backup-Kraftwerke. Im Folgenden wollen wir exemplarisch die Größe des benötigten Speichers bestimmen. Im konkreten Falle betrachten wir wieder das Beispiel Berg.

In Abb. 5 ist der Verlauf des Strombedarfs (= Verbrauch) gegen die Stromproduktion mit Wind, Photovoltaik und weiteren Produktionquellen aufgetragen. Zusätzlich wird auch die jeweilige Momentandifferenz zwischen der gesamten Stromproduktion und der Last dargestellt. Immer dann, wenn die Stromproduktion höher ist als der jeweilige Verbrauch, kann der Überschuss gespeichert werden. Im Diagramm sind das die Zeiten, in denen die rote Kurve des Ladungsverlaufs ansteigt. Ist dagegen der Verbrauch höher, dann wird der Speicher entladen. In diesem Falle wendet sich die rote Kurve nach unten.

Speicherbedarf Berg 2022

Abbildung 5: Speicherdiagramm zum Windpark Berg. Die linke Vertikalachse zeigt die Tageswerte der Stromproduktion bzw. des Stromverbrauchs in Megawattstunden. An der rechten Achse (rot) ist die Höhe der Speicherladung abzulesen. Im Diagramm sind die Verläufe des Strombedarfs (= Verbrauch, schwarze Kurve) gegen die Stromproduktion mit Wind (blaue Kurve), Photovoltaik (gelbe Kurve) und weiteren Produktionquellen (grüne Kurve) aufgetragen. Die graue Kurve zeigt die jeweilige Momentandifferenz zwischen der gesamten Stromproduktion und der Last. Man sieht, dass trotz der summarischen Gesamtstromproduktion übers Jahr von 104 % über weite Teile des Jahres die Strombilanz negativ ist (graue Kurve unterhalb der Nulllinie). Die rote Kurve stellt den Verlauf der Speicherladung über den Jahresverlauf dar. Der Maximalwert dieser Ladung entspricht der nötigen Speicherkapazität. In diesem Falle sind es 2.711 Megawattstunden.

Um die Größe der erforderlichen Speicherkapazität zu ermitteln, muss man, ausgehend von einem Startwert für die Kapazität, die Initialladung des Speichers und die Speicherkapazität iterativ gezielt so anpassen, dass sich zu keinem Zeitpunkt eine negative Speicherladung einstellt. Der mininale Wert für die so ermittelte Maximalladung des Speichers ist die gesuchte Speicherkapazität.

Im vorliegenden Falle findet man so unter den Bedingungen des Jahres 2022 einen Speicherbedarf von 2.711 MWh und somit die erforderliche Speicherkapazität in genau dieser Höhe. Natürlich wird sich dieser Wert von Jahr zu Jahr, je nach den Wetterbedingungen, verändern. In der Größenordnung tut sich indessen nicht viel. Bei den heutigen Speicherpreisen von etwa 1.000 €/kWh entspricht die berechnete Kapazität einer Investitionssumme von 2,7 Mrd. €. Aber auch bei drastisch günstigeren Speicherkosten von 100 €/kWh wären es immer noch 270 Millionen Euro.

Unabhängig davon muss man festhalten, dass es Speicher dieser Größe (also 2,7 GWh) Stand heute nicht gibt. Nächstes Jahr (2025) soll in Niedersachen Europas größter Batteriespeicher in Betrieb gehen. Er ist auf eine Kapazität von 275 MWh ausgelegt, also etwa ein Zehntel des Bedarfs alleine für die 8000-Einwohner-Gemeinde Berg.

In diesem Zusammenhang wird oft auf E-Autos verwiesen. Man könne doch die Batterien der Elektroautos anzapfen und die dort gespeicherte Energie zum Schließen der Stromlücken verwenden. Ja, das geht tatsächlich. Man darf sich aber keinen Illusionen bezüglich der realen Möglichkeiten hingeben. Die Speicher von E-Autos sind viel zu klein, um damit in nennenswertem Umfang Produktionslücken schließen zu können. Allenfalls für sehr kurz währende Versorgungslücken von etwa einem Tag oder weniger ist das hilfreich. Davon abgesehen werden die Batteriespeicher von E-Autos ja eigentlich zum Fahren benötigt. Sind sie einmal entladen, kann man weder fahren noch ins Netz einspeisen. Und am nächsten Tag steht man mit leeren Händen da.

Wenn man dennoch unterstellt, dass ein durchschnittliches E-Auto jederzeit eine Speicherkapazität von 30 kWh für die Zwecke der Stromversorgung verfügbar machen könnte, wie viele E-Autos bräuchte man dann in der Gemeinde Berg mit ihren mit 8000 Einwohnern? – Es wären 90.000 E-Autos nötig, also ca. 11 Autos pro Einwohner!

Damit wird klar, dass mit großen Speichern prinzipiell die Versorgungssicherheit und damit auch echte Autarkie – wie sinnvoll diese auch immer sein mag – gewährleistet werden kann. Indessen stellt dieser Ansatz allenfalls eine theoretisch mögliche Lösung dar. In der Realität ist das nicht bezahlbar. Der Speicher für Berg in der nötigen Kapazität würde die Stromkosten für die Gemeinde dauerhaft auf mindestens 50 ct/kWh erhöhen. Der Berger Windstrom wäre letztlich unverkäuflich.


Quellen

[1] Starnberger Merkur vom 07.11.2024 Idee für PV-Freiflächenanlage bei Gut Biberkor

[2] Versorgungssicherheit mit Windstrom – eine theoretische Analyse

Mikroplastikabrieb bei Windrädern

Einleitung

(fih) Bereits 2020 hat der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags (WD, s. {1]) eine Abschätzung zur Exposition vom Mikroplastik durch Windräder veröffentlicht. Der WD beruft sich dabei bezüglich der wissenschaftlichen Datenbasis auf Studien und Analysen von Fraunhofer IWES.

Grundlagen der Berechnung

Nachfolgend eine aktualisierte Berechnung dazu, die vom Autor aufgrund der größeren Dimension heutiger Rotoren modifiziert wurde. Gegenüber der durchschnittlichen Größe der Rotoren von Windrädern im deutschen Bestand von weniger als etwa 60 m, weisen neue, große dimensionierte Windkraftanlagen der Leistungsklasse von 6 MW und darüber hinaus oft Rotorlängen von 75 m und mehr auf. Folgerichtig wird in der Abschätzung unterstellt, dass sich bei solchen Anlagen der maßgebliche Plastikabrieb über eine größere Rotorfläche erstreckt. Bei den kleineren Rotoren konnte man sich in der Überschlagsrechnung auf die äußersten 10 m des Rotors beschränken, wobei auch dies eine grobe Näherung darstellt, weil natürlich auch die weiter zur Drehachse hin befindlichen Rotoroberflächen der Erosion ausgesetzt sind. Bei den Großrotoren gehen wir von einer maßgeblich dem Abrieb unterliegenden Bereich auf den äußersten 20 m des Rotors aus. Das ist begründbar durch die bei längeren Rotorblättern mindestens gleich hohen oder höheren Tangentialgeschwindigkeiten bei allenfalls leicht niedrigerer Drehzahl.

Die Dicke der Beschichtung auf den Rotorblättern wurde auf Basis der Daten von Fraunhofer IWES zu 5 mm angenommen.

Abschätzung zur Menge des Mikroplastikabriebs

Daten und AnnahmenWert und Dimension
1 Rotorblatt, Länge75 m
Abrieb insbesondere auf den äußersten20 m
Rotorblattbreite
im Modell vereinfacht dreiecksförmig zur Spitze hin zulaufend angenommen
2 m
Beschichtungsdicke
betrachtet wird nur die Vorderseite, da sie Wind und Wetter besonders ausgesetzt ist
5 mm
Zeitraum für den vollkommenen Abtrag der Beschichtung
(lt. Fraunhofer IWES)
4 Jahre
Spez. Dichte der Beschichtung
(lt. Fraunhofer IWES)
\(1.2\,\text{kg/}\text{dm}^3\)
KategorieBerechnung und Dimension
Geschätzte abriebwirksame Fläche\(\frac{1}{2}\cdot 20 \cdot 2 = 20\, \text{m}^{2}\)
Beschichtungsvolumen\(20 \cdot 0.005 = 0.1\, \text{m}^{3}\)
Resultierender Materialabrieb pro Rotorblatt\(1,2 \cdot 0.1 \cdot 1000 = 120\,\text{kg}\)
Resultierender Materialabrieb pro Windrad (3 Rotorflügel)\(120 \cdot 3 = 360\,\text{kg}\)
Abrieb und Exposition von Mikroplastik pro Windrad und Jahr\(\frac{360}{4} = 90\,\text{kg}\)

Angewendet auf Gauting

Die geplanten 10 Gautinger Windräder im Wald rund um Gauting resultieren in ca. 900 kg Plastikabrieb pro Jahr. Nimmt man die weiteren in Krailling und im Forstenrieder Park geplanten 10 Windräder hinzu, dann sind es 1.800 kg. Dieser Mikroplastikabrieb wird über den Wald verteilt und gelangt in die Böden.

Das muss man nicht weiter kommentieren!

In diesem Zusammenhang wird auch auf die grundsätzlichen Bemerkungen zum Rückbau von Windrädern verwiesen (s. Menüpunkt Klima & Umwelt – Wald). Allein die überwiegend aus Verbundwerkstoffen bestehenden Rotoren der 20 Windkraftanlagen führen am Ende der Nutzungszeit zu einer Abfallmenge von etwa 900 Tonnen. Dabei wurden Rotorblätter einer Länge von 75 m mit einem Gewicht von ca. 15 t angenommen. Im Hinblick auf das mögliche Recycling nachfolgend das Originalzitat aus der Projektbeschreibung eines Betreibers über die Errichtung einer Enercon Windenergieanlage mit 5,6 MW Nennleistung:

„Zum heutigen Zeitpunkt ist noch nicht absehbar, welche Recyclingtechniken nach Aufgabe der Nutzung zum Einsatz kommen, daher können hierüber noch keine abschließenden Aussagen getroffen werden.“

(Hieronymus Fischer)


Quellen:

[1] Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestags (WD) WD-8-077-20-pdf-data.pdf (bundestag.de)

[2] Regenerosion an Rotorblättern effektiv vorbeugen (fraunhofer.de)

[3] Fraunhofer IWES sagt Erosion von Windkraftanlagen den Kampf an (windbranche.de)

[4] Entwicklung einer Methode zur Bestimmung der Lebensdauer von Rotorblatt-Beschichtungen (Fraunhofer IWES)

[5] Recycling von Windkraftanlagen (Fraunhofer ICT)

[6] Youtube Video zum Mikroplastikabrieb in einem Windpark im Allgäu

Windräder statt Atomstrom

Einleitung

(fih) Am 15. April 2023 wurden in Deutschland die letzten drei Kernkraftwerke abgeschaltet. Davor waren bereits Ende 2021 drei Atomkraftwerke vom Netz genommen worden. Damit ist das Kapitel Kernenergie in Deutschland auf absehbare Zeit beendet. In der Konsequenz muss die nun zwangsläufig entstehende Energielücke entweder durch Stromimporte – pikanterweise auch von Atomstrom aus den Nachbarländern – oder durch Ausbau eigener alternativer Erzeugungskapazitäten (z.B. mehr Windräder) geschlossen werden. So lange es die noch nicht gibt, wird man notgedrungen wohl auch auf fossile Energieträger zurückgreifen müssen. Das ist klimapolitisch fatal, weil Atomstrom immerhin als quasi CO2-frei gelten konnte.

Die ersatzweise Kohleverstromung sollte sich aufgrund der dadurch verursachten besonders hohen CO2-Emissionen eigentlich verbieten. Und dennoch haben wir im Vorjahr genau dies gesehen, nachdem bereits im Dezember 2021 drei Atomkraftwerke außer Dienst gestellt worden waren. Trotz günstiger Wetterbedingungen in 2022 und der daraus resultierenden gestiegenen Wind- und Solarstromproduktion, hat dies zu einer um 13 Mrd. kWh höheren Kohleverstromung mit der Konsequenz von 12,5 Mio. Tonnen CO2 zusätzlich geführt. Dabei war der Gesamtstromverbrauch sogar geringer als im Jahr zuvor, was den Ausstoß von CO2 hätte sinken lassen sollen. Es steht zu befürchten, dass der Ausfall des Atomstroms auch in den nächsten Jahren noch zu erhöhten CO2-Emissionen im Bereich von Zig-Millionen Tonnen führen wird.

Unabhängig davon sieht das politische Programm indessen vor, den nunmehr fehlenden Atomstrom – und natürlich auch die Kohlestromproduktion – in erster Linie durch Windstrom zu ersetzen und dafür die Windkraft zügig auszubauen. Im Folgenden wollen wir beleuchten, was zu diesem Zwecke auf Seiten der Produktionskapazitäten vonnöten ist und auch fragen, wie viele Windräder dafür erforderlich sind.

Die Ausgangssituation

Die sechs seit 2021 in Deutschland abgeschalteten Atomkraftwerke produzierten zuletzt noch eine Energiemenge von 65 TWh pro Jahr (2021) und trugen so etwa 13 % zu unserer Stromversorgung bei. Das ist mehr als halb soviel wie die jährliche Windstromproduktion (2021: 112 TWh / 22 %) und übersteigt die gesamte Solarstromerzeugung (2021: 45 TWh / 9 %) um den Strombedarf von mehr als fünf Millionen Haushalten.

Was leisten Windenergieanlagen?

Der Windstrom wird von etwa 30.000 Windrädern produziert. Eine durchschnittliche Windenergieanlage erzeugt daher eine Strommenge von knapp 3,8 GWh pro Jahr. Um die sechs vom Netz genommenen Kernkraftwerke zu ersetzen, benötigen wir daher ca. 65.000 GWh / 3,8 GWh ≈ 17.000 Windkraftanlagen, also knapp 3.000 Windräder pro Atomkraftwerk.

Siebzehntausend Windräder? Das ist für viele sicher eine unerwartet große Zahl. Sie ist deswegen so groß, weil der Wind natürlich nicht immer gleichmäßig stark weht und der Stromertrag in Zeiten geringen Windes erheblich unter die Nennleistung der Windenergieanlage fällt. Tatsächlich steigt die abgegebene Leistung proportional zur dritten Potenz der Windgeschwindigkeit. Mit \(P\) als elektrischer Leistung des Windrads und \(v\) als Windgeschwindigkeit gilt daher

\begin{equation} P \sim v^{3} \end{equation}

Doppelte Windgeschwindigkeit bedeutet also \(2^{3}=2 \cdot 2\cdot 2 = 8 \)-fache Leistung. Die Kehrseite der Medaille ist: halbe Windgeschwindigkeit, nur ein Achtel der Leistung. Ein Windrad, das für eine Nennleistung von 3,2 MW bei 10 m/s (= 36 km/h) konzipiert ist, leistet bei 5 m/s (= 18 km/h) nur 0,4 MW, also 12,5 % der Nennleistung. Bei 2,5 m/s (= 9 km/h) sind es gar nur noch 0,05 MW = 50 kW; das ist ein Vierundsechzigstel, also gerade einmal 1,6 % der Nennleistung.

Stromertrag von Windrädern in der Praxis

Aufgrund des vorgenannten Zusammenhangs und des vor allem an Land recht ungleichmäßig wehenden Windes mit häufigen Schwachwindphasen, erreicht der Stromertrag einer Windenergieanlage nur einen Bruchteil des aufgrund der gegebenen Nennleistung theoretisch möglichen Maximalwerts. Um es an einem konkreten Beispiel deutlich zu machen: Wenn der Wind jeden Monat 3 Tage durchgehend mit der vollen Stärke von 10 m/s bläst und in der restlichen Zeit kontinuierlich mit 5 m/s weht – das würden wir immer noch als ziemlich windig empfinden, dann gibt ein Windrad im Mittel nur 21 % seiner regulären Leistung ab.

Typischerweise beträgt der Effizienzfaktor (manchmal auch Leistungsfaktor oder Leistungsausbeute genannt) von Windkraftanlagen an Land etwa 22 %. Eine 3,2-MW-Anlage leistet daher im Mittel ca. 0,7 MW.

Die installierte Leistung

Normalerweise werden natürlich die Nennleistungen der Windräder in den Vordergrund gestellt. Man spricht dann von „installierter Leistung“. Schon in 2021 summierte sich diese auf 63,5 GW. Das ist fast soviel wie der durchschnittliche Bedarf an elektrischer Leistung in Deutschland von etwa 70 GW. Das klingt nach sehr viel, und es ist auch viel, aber eben nur dann, wenn der Wind überall in der erforderlichen Stärke bläst, was nur äußerst selten der Fall ist – eigentlich nie.

An guten Tagen leistet die Windkraft in Deutschland bis zu 40 GW, an schlechten aber nahezu nichts, oder nur 5 GW, also weniger als ein Zwölftel der Nennleistung. Im Mittel sind es tatsächlich nur die genannten ca. 22 % des technischen Leistungsmaximums, entsprechend etwa 14 GW. In windstarken Jahren kann der Wert auch höher liegen, 2019 waren es z.B. über 23 %. Es gibt aber auch Schwachwind-Jahre, in denen der Effizienzfaktor noch nicht einmal die 20%-Grenze erreicht. Z.B. waren es 2016 nur gut 18%.

Das ist der Grund, warum man die o.g. große Anzahl von Windrädern braucht, um nur sechs Kernkraftwerke zu ersetzen. Wobei „ersetzen“ im strengen Sinn so einfach nicht möglich ist, weil man natürlich auch dann Strom benötigt, wenn nur wenig Wind weht und die Sonne nicht scheint. Um diese Phasen zu überbrücken kommt man um zusätzliche Backup-Kraftwerke oder große Speicherkapazitäten – die derzeit aber noch kaum verfügbar und zudem enorm teuer sind – nicht herum.

Wieviel Windräder braucht man?

Nun baut man heute viel größere Windräder, eher Groß-Windkraftanlagen mit nicht selten 150 bis 170 m Turmhöhe und einem Propellerdurchmesser von bis zu 180 m. Solche Anlagen leisten grundsätzlich deutlich mehr als der Durchschnitt der Altanlagen, sie unterliegen aber den selben physikalischen Gesetzmäßigkeiten. Da sie aber höher sind, profitieren sie eher von den tendenziell besseren Windverhältnissen in den bodenfernen Luftschichten.

Die genannten neuen Groß-Windkraftanlagen sind oft für eine Nennleistung von 5 – 6 MW konzipiert. Legen wir für die Rechnung 5 MW zugrunde und unterstellen wir einen Effizienzfaktor von mindestens 21 %. Um auf dieser Basis die sechs abgeschalteten Atomkraftwerke (65 TWh Jahresertrag) zu ersetzen, benötigen wir daher 65.000.000 MWh / (5 MW * 8760 h * 0,21) ≈ 7.000 Windräder. Anmerkung: 1 Jahr hat 8760 Stunden. Pro AKW sind das also ca. 1.100 große Windräder. Im Folgenden rechnen wir mit diesen 7.000 Groß-Windkraftanlagen als Ersatz für die sechs Kernkraftwerke.

Wir bauen einen Mega-Windpark

Die größte Ausdehnung Deutschlands in der Nord-Süd-Richtung beläuft sich auf 876 km. Die Entfernung zwischen Flensburg und Oberstdorf (Luftlinie) beträgt 822 km.

Unterstellen wir, die Windräder würden im Abstand von 500 m nebeneinander aufgestellt. Das ist aus wissenschaftlicher Sicht ein empfehlenswerter Abstand orthogonal zur Hauptwindrichtung, um Interferenzen und Minderleistungen zu vermeiden. Demnach erstrecken sich die 7.000 Windräder über eine Gesamtlänge von 3.500 km. Wenn wir sie also zwischen Oberstdorf und Flensburg aufstellen wollen, dann können wir in einer Reihe nur 822 / 0,5 = 1.644 Windräder nebeneinander unterbringen.

Um alle 7.000 aufzureihen, müssen wir daher in einem gewissen Abstand hinter der ersten Reihe eine zweite, dritte und vierte aufbauen, und auch noch eine fünfte über mehr als 200 km. Nehmen wir auch diesbezüglich den nach wissenschaftlicher Beurteilung zu präferierenden Mindestabstand (in der Hauptwindrichtung) von 1 km. Anmerkung: In vielen existierenden Windparks stehen die Windräder zu eng aufeinander, was auf Kosten des Ertrags geht.

Der Mega-Windpark von Flensburg bis Oberstdorf und die weiteren Folgen aus dem Atomausstieg. Natürlich ist diese Anlage nur als symbolisches Gebilde zu verstehen, um die Dimensionen deutlich zu machen.

Der Mega-Windpark zieht sich also quer durch Deutschland: alle 500 m steht ein Windrad mit einer Höhe des Turms von 150 – 170 m  (ungefähr die Nabenhöhe) und einer Scheitelhöhe inkl. des Rotors von bis zu 250 m. Und jeweils 1 km dahinter verläuft die zweite, dahinter die dritte, dann die vierte Reihe und schließlich auch noch eine dünner besetzte fünfte Reihe.

Ressourcen für den Mega-Windpark

Der Ressourcenbedarf für den Bau der 7.000 Windräder ist beachtlich: 1,4 Mio. Tonnen Stahl, 7 Mio. Kubikmeter Beton, dazu noch Unmengen an Kupfer, Aluminium und Glas. Aber wir wollen ja sauberen Strom. Und tatsächlich ist der erzeugte Windstrom, trotz des großen initialen Materialaufwands, mit 5 bis 10 g CO2 pro kWh unterm Strich ausgesprochen CO2-arm. Der zur Herstellung erforderliche Energieaufwand amortisiert sich innerhalb von 12 Monaten. Allerdings sind darin die absehbar enormen Kosten der erforderlichen Speicher nicht berücksichtigt.

Gleichfalls hoch ist der Flächenbedarf für den Mega-Windpark. Inklusive einer Abstandszone von beidseitig 500 m kommen wir bei 822 km Länge und 4,5 km Breite auf 3.700 Quadratkilometer. Das sind etwa 1 % der Landesfläche von Deutschland. Immerhin kann man dieses Areal zum größeren Teil noch anderweitig nutzen, z.B. für Ackerbau und Viehzucht.

Die Kosten für den Bau der 7.000 Groß-Windkraftanlagen sind ebenfalls gewaltig. Mit etwa 35 Milliarden € muss man wohl rechnen, wobei die Ausgaben für den erforderlichen Netzausbau noch hinzukommen. Dennoch gilt: Bei einer Betriebszeit von 20 oder 30 Jahren bleibt der Kostenaufwand pro kWh produzierten Stroms insgesamt relativ niedrig. Erwartungsgemäß ist daher Windstrom in der Erzeugung mit 5 – 10 ct/kWh vergleichweise billig (jedenfalls dann, wenn man die versteckten Mehrkosten für Backup-Kraftwerke und Speicher außen vor lässt). Aufgrund der Belastung mit Steuern, Abgaben, Umlagen und Gebühren, kommt das allerdings beim Verbraucher – wie auch in anderen Fällen – absehbar nicht an.

Die Deutschlandkarte zeigt den Mega-Windpark anhand von 40 kleinen Quadraten auf einer geraden Linie zwischen Oberstdorf und Flensburg. Jedes der Quadrate steht für einen „kleinen“ Windpark mit 20 km Länge und 4 – 5 km Breite, bestehend aus jeweils 175 Windrädern.

Natürlich kann man die Windräder auch etwas näher zusammenrücken, damit man weniger Fläche benötigt. Das geht dann aber – wie bereits oben gesagt – auf Kosten der Effizienz.

Was gewinnen wir damit?

Mit diesem Windkraftpark quer durch Deutschland können wir die sechs seit 2021 außer Dienst gestellten Atomkraftwerke ersetzen. Jedenfalls einigermaßen, denn wenn der Wind nicht weht, nützen auch diese 7.000 Windräder nichts. Dann müssen wir Kohlestrom produzieren, ihn vielleicht aus Polen importieren, oder Atomstrom aus Frankreich, Belgien oder Tschechien beziehen. Alternativ können wir die Stromlücken mit Backup-Gaskraftwerken schließen – die wir allerdings in größerer Anzahl noch bauen müssen. Indessen ist auch die letztgenannte Option auf Basis modernster GuD-Kraftwerke mit 400 bis 500 g CO2 pro kWh Strom belastet (Anmerkung: GuD = Gas-und-Dampfturbine).

Verschärft wird die Problematik durch die angestrebte Wärmewende (Tausch von Gasheizungen gegen Wärmepumpen) und die Mobilitätswende, die beide sogar schon kurz- und mittelfristig einen erhöhten Strombedarf nach sich ziehen werden.

Wir brauchen also Strom, und dieser Strom muss sauber sein. Anderfalls macht weder die Wärmewende noch der Umstieg auf Elektromobilität überhaupt irgendeinen Sinn. Deswegen ist die Entscheidung zur Abschaltung der Atomkraftwerke grob gegen die Vernunft gerichtet.

Dreckiger Strom für die Wärmewende und für die Elektromobilität

Apropos Kohlestrom: Natürlich dauert es einige Jahre, bis die oben genannten 7.000 Windräder gebaut sind. Wenn wir die derzeitige Geschwindigkeit von etwa 0,8 – 1,5 Windenergieanlagen pro Tag zugrunde legen, dann brauchen wir dafür 13 – 24 Jahre. Aber auch wenn es schneller gehen sollte – jedenfalls ging es zwischen 2010 und 2019 mit 4 bis 5 (allerdings kleineren) Windrädern pro Tag deutlich flotter – werden wir in den nächsten Jahren noch auf Kohlestrom angewiesen sein. Zumindest im Umfang des ausgefallenen Atomstromanteils wäre das vermeidbar gewesen. Und dies völlig unabhängig von den zu bauenden Windrädern.

10 Jahre ohne eigenen Atomstrom könnte auf eine ersatzweise Kohleverstromung mit einem zusätzlichen Ausstoß von bis zu 600 Mio. Tonnen CO2 hinauslaufen.

Ideologische Sturheit statt „Klimaschutz“

Unter Umständen kann man ja noch verstehen, dass man im dichtbesiedelten Deutschland keine neuen Kernkraftwerke bauen will. Auch wenn es sich dabei um eine Hochsicherheitstechnologie handelt, etwa wie das Fliegen und wie die Hochleistungsmedizin. Aber sicher laufende Atomkraftwerke abzuschalten und dafür Kohlekraftwerke zu betreiben, ist an Torheit kaum zu überbieten. Es ist die Hybris der Irrationalen. Um es mit den Worten des Aufklärers Georg Christoph Lichtenberg auszudrücken:

«In der Dummheit liegt eine Zuversicht, darob man rasend werden möcht‘».

Kann man denn jemand ernst nehmen, der für Klimaschutz wirbt, dann aber aus nicht nachvollziehbaren Gründen bereit ist, Hunderte von Millionen Tonnen CO2 zusätzlich in die Atmosphäre zu pusten? Und im gleichen Atemzug wird das dennoch als Beitrag zur Energiewende und zum Klimaschutz ausgegeben.

Mit der Abschaltung der Atomkraftwerke verhält es sich etwa so, als wolle man vom alkoholfreien Bier auf Mineralwasser umsteigen, und weil das dann nicht verfügbar ist, trinkt man stattdessen Schnaps.

Resümee

War es vernünftig, aus der Kernenergie auszusteigen? War es vernünftig, sicher zu betreibende Atomkraftwerke abzuschalten? – Ja, in einer halbwegs idealen Welt ohne globale Erwärmung wäre es rational gewesen. In einer Welt ohne Kriege und ohne die Notwendigkeit einer sicheren Energieversorgung. In einer solchen Welt leben wir allerdings nicht.

Ist es vernünftig, stattdessen auf Windkraft zu setzen? – Ja, aber nur auf Basis eines durchdachten und funktionierenden Plans, unter Berücksichtigung der Belange des Natur- und Umweltschutzes, unter Einbeziehung von Speichern und Backup-Kraftwerken, konkreter Realisierungsschritte und Zug um Zug.

Damit wir uns nicht missverstehen: Neben der Photovoltaik und den leider weitgehend fehlenden und extrem teuren Speichermöglichkeiten können Windenergieanlagen einen Beitrag zur Energiewende leisten, vorausgesetzt, sie werden dort aufgestellt, wo die Erträge hoch sind und die Beeinträchtigungen für Mensch und Umwelt klein bleiben. Effiziente, am richtigen Ort platzierten Windräder sind also potentiell ein echter Mehrwert. Aber auch um eine im Prinzip gute Sache Lösung umzusetzen, sollte man den Verstand bemühen und nicht den zweiten Schritt vor dem ersten tun.

Um es an einem simplen Beispiel zu persiflieren:

Wenn ich meinen Kühlschrank durch einen neuen ersetzen möchte, dann schmeiß ich den alten nicht weg, bevor der neue geliefert wurde.

Und wenn ich zwei Kühlschränke besitzeEinen ganz alten mit der grottenschlechten Energieeffizienzklasse G und einen relativ neuen der Effizienzklasse A++ mit Eisfach? Dann sortiere ich vernünftigerweise zuerst die alte G-Klasse-Kröte aus. Auch wenn mir am A++-Kühlschrank die Platzverschwendung für das nicht benötigte Eisfach missfällt.


Autor: Hieronymus Fischer